Im Jahre 2007 erschien in den deutschen Kinos eine Komödie, die weitestgehend unter dem Radar der Zuschauer blieb. Grund dafür war unter anderem die Vermarktung von „Idiocracy“, da der Film der 20th Century Fox zu peinlich war und ihm kein großer Erfolg an den Kinokassen zugetraut wurde. Klar, der Plot ist zu simpel, das CGI schon damals nicht zeitgemäß und nicht alle Gags zünden.
Auch der skatalogische Humor trifft nicht jedermanns Geschmack, passt aber leider zu dieser Dystopie, die sich unserer Realität rasant anzupassen scheint. Oder wie der Regisseur Mike Judge selbst ironisch anmerkte: „Ich bin kein Prophet – ich lag 490 Jahre daneben.“
Kurz zur Handlung: Der Armee-Bibliothekar Joe Bauers soll zusammen mit der Straßenprostituierten Rita an einem Kälteschlaf-Experiment teilnehmen, weil er als durchschnittlicher Amerikaner gilt. Die Protagonisten werden in ihrem Schlafkammern vergessen und erst 500 Jahre später durch einen Müll-Zunami befreit. Sie finden sich in einer von Intelligenz befreiten Welt wieder. Bei einem IQ-Test stellt sich heraus, dass „Nicht Sicher“, so wird Bauers in der Zukunft genannt, der klügste Mensch der Welt ist. Deswegen nimmt Präsident Camacho Bauers in sein Kabinett auf, um alle Probleme wie Hunger und Gesichtsakne zu lösen.
„Natürlich gießen wir unsere Felder mit einem Energydrink. In Brawndo steckt, was Pflanzen schmeckt – es enthält Elektrolyte!“ Damals hätte wohl kaum jemand geglaubt, dass bereits 10 Jahre später ein Präsident im Weißen Haus sitzen würde, dem ein solcher Satz zuzutrauen ist. Doch während im Film die Theorie der Dysgenik als Erklärung für den geistigen Zerfall der Gesellschaft herhält, reichten 20 Jahre Internet 2.0 aus, Dummheit hoffähig zu machen.
Idiocracy war nicht nur eine dumme Komödie – es war eine Prophezeiung, verpackt in Fäkalhumor. Hinter der Absurdität steckte echte Panik. Der Filmtitel hätte beinahe noch dümmer ausfallen können. Terry Crews musste kämpfen, um überhaupt auf die Leinwand zu kommen. Und beinahe wäre der Film nie entstanden. Sein Schöpfer nennt ihn heute nicht einmal mehr eine Komödie, sondern sieht ihn als Persiflage heutiger Zustände.
Hier sind einige merkwürdige Fakten über „Idiocracy“.
Nummer 1: Die Idee entstand nicht im Writers’ Room, sondern in der Schlange vor Peter Pan’s Flight. Mike Judge, der Schöpfer von „Office Space“ und „Beavis and Butt-Head“, stand in Disneyland mit seinen Töchtern, ein Vater, der in der langsamen Warteschlange ausharrte. Dann hörte er es: zwei Mütter, die ihre Kleinkinder lautstark und stolz beschimpften. Da machte es Klick. Später sagte Judge:
„Mir wurde klar, dass solche Menschen die Intelligenten überholen werden – und sie ziehen ihre Kinder so auf.“
Noch in der Schlange formte sich der Gedanke: eine Gesellschaft, in der Intelligenz ausstirbt, Dummheit herrscht und die Welt sich mit Stolz selbst verdummt. Er verließ den Park an diesem Tag nicht nur als Vater, sondern als Architekt einer Dystopie, die schon wie Realität wirkte.
Nummer 2: Ursprünglich sollte der Film gar nicht Idiocracy heißen. Mike Judge wollte ihn The United States of America nennen – ausgesprochen wie ein lallendes, dummes Gestammel. Perfekt als Beleidigung, ein Slow-Motion-Wortwitz. Doch Fox hasste diesen Titel. Zu aggressiv, zu direkt, zu peinlich. Man fürchtete, das Publikum könne ihn als unpatriotisch empfinden. Also musste ein neuer Name her: Idiocracy. Einfach, sarkastisch und für das Studio weniger riskant – wenn auch immer noch umstritten.
Nummer 3: keine Trailer, keine Poster, keine Pressetour. Fox versteckte den Film. Er bekam ein einwöchiges Release-Fenster, ohne Werbung oder Premieren. Manche Kinos wussten nicht einmal, wie der Film heißt, und listeten ihn als „Untitled Mike Judge Project“. Einige Schauspieler erfuhren erst nachträglich, dass der Film schon im Kino gelaufen war. Doch trotz des Schweigens verschwand er nicht. Er fand langsam, fast heimlich, sein Publikum.
Nummer 4: Idiocracy litt selbst unter der Art von Corporate-Sparmaßnahmen, die er persiflierte. Budgetkürzungen führten zu gestrichenen Drehtagen, improvisierten Locations und verspäteten Gehaltszahlungen. Manche Crew-Mitglieder bekamen nie ihr volles Geld. Ein Film über ein kaputtes System wäre beinahe selbst daran gescheitert.
Nummer 5: Maya Rudolph spielte eine zeitreisende Prostituierte, die durch ein absurdes, verdummtes Amerika stolperte. Während der Film jedoch unterging, brachte sie 2005 ihr erstes Kind mit Paul Thomas Anderson zur Welt. So erlebte sie eine echte, chaotische Mutterschaft, während ihr Film von einer dystopischen Zukunft erzählte, die vielleicht gar nicht so weit entfernt war.
Nummer 6 & 7: Präsident Camacho – Muskeln echt, Haare fake – wurde durch Terry Crews unsterblich. Seine Performance war größtenteils improvisiert: das Geschrei, das Motorrad, die chaotischen State-of-the-Union-Auftritte. Doch fast hätte er die Rolle nie bekommen. Erst bei der fünften Audition entfaltete er alles, was später zum Herzstück des Films wurde.
Nummer 8: Die Komparserie sollte einfach „dumm“ spielen. Einige gingen zu weit – von Dry-Humping bis zu rassistischen Gesten. Mike Judge schnitt vieles raus, weil die Dummheit witzig sein sollte, nicht bösartig.
Nummer 9: Das Ende der Zivilisation kam in Idiocracy nicht durch Krieg oder Zombies, sondern durch Müll. Ein riesiger Berg Abfall kollabierte und begrub die Welt. Inspiriert von echten Schlagzeilen über die wachsende Abfallkrise wurde daraus eine absurde, aber erschreckend logische Pointe.
Nummer 10: Die Kostüme brauchten etwas richtig Dummes – sie wählten Crocs. Damals noch ein unbekannter Prototyp, sah Mike Judge sie als sicheren Witz. Niemand würde sie je tragen, oder? Dann wurde der Film veröffentlicht – und Crocs eroberten die Welt.
Nummer 11: Logos verwandelten sich, Sprache kollabierte, Moral verschwand – doch Fox News blieb fast unverändert. Das war die einzige „Satire“, die keiner Veränderung bedurfte.
Nummer 12: Die Show „Ow, My Balls!“ – ein Mann wird immer wieder in die Kronjuwelen getroffen – war als übertriebene Satire gedacht. Doch weniger als ein Jahrzehnt später holte die Realität die Fiktion ein. YouTube-Videos mit Unfällen erfreuen sich höchster Beliebtheit.
„Idiocracy“ kann über viele Streamingplattformen angesehen werden und ist derzeit im Angebot von Amazon Prime inkludiert.