Die Situation ist typisch: Ein in sportlich-fesche Fahrradmontur gekleideter Mann, vom Akzent her Engländer, sitzt lässig auf einem knallroten Plastikstuhl neben einer Frittenbude auf einem wunderschönen Campingplatz und schwärmt in fehlerfreiem Französisch vom Fahrradparadies Frankreich. Mein Widerspruch wird, seinen Gesichtszügen nach zu urteilen, als Affront angesehen.
Ganz unrecht hat er nicht. Meine Frau und ich befinden uns auf der Rundtour „Le Loiret au fil de l’eau“. Hier wurde 2024 der Kanal von Orléans als Fahrradweg erschlossen. Nicht nur die Beschilderung wurde erneuert oder überhaupt erst erstellt – auch gibt es alle paar Kilometer Rastplätze mit teilweise überdachten Tischen, öffentlichen Toiletten, Wasserhähnen und sogar USB-Ladestationen für Handys, wassergeschützt und in die Fahrradständer integriert.
Frankreich pauschal als Paradies für Radfahrer zu bezeichnen, halte ich dennoch für übertrieben. Gerne würde ich das Radfahren in meinen Alltag auf dem Land einbinden. Da es aber in unserer Gegend keine Radwege gibt und die Landstraßen nicht ungefährlich sind, fristet mein alter Drahtesel ein trauriges Dasein unter der Garagendecke. Der nächstgelegene gut ausgebaute Radweg liegt 17 Kilometer entfernt.
Fairerweise muss man erwähnen, dass sich in den letzten zehn Jahren in den Städten, die ich kenne, viel getan hat: Paris, Nemours, Fontainebleau und Orléans wurden und werden für Radfahrer ausgebaut. Bis sich diese Entwicklung auch jenseits der Ballungsräume ähnlich wie in den Niederlanden manifestiert, wird es jedoch noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, dauern. Also kein Paradies – aber ein sehr guter Anfang.
Die Tour
Unsere Tour begann vor der eigenen Haustür. Als Einstieg in den Rundweg entlang der alten Wasserstraßen bot sich für uns Montargis an, etwa 50 Kilometer von unserem Wohnort entfernt – eine angenehme Tagesetappe, die auch mit Kindern gut zu bewältigen ist.
Da die Tour entlang der Leinpfade verläuft, ist sie sehr leicht befahrbar. Leinpfade sind die Wege, auf denen früher die Zugtiere die Kähne entlang der Kanäle zogen. Kurze Steigungen gibt es nur bei den alten Schleusen.
Der Kanal von Orléans wurde in seiner heutigen Form 1692 eingeweiht und 1952 als Wasserstraße stillgelegt. Im November 2021 erwarb das Département Loiret den Kanal, um ihn als Hochwasserschutz und Kulturerbe zu erhalten. Da hier keine Schifffahrt mehr betrieben wird, hat sich die Natur das nahezu stehende Gewässer größtenteils zurückerobert. Am Canal de Briare hingegen begegnet man noch Hausbooten, die gemächlich mit 10 km/h unterwegs sind.
Der Abschnitt entlang der Loire ist landschaftlich der reizvollste. Theoretisch kann die etwa 200 Kilometer lange Rundtour in zwei Tagen bewältigt werden. Mit Kindern oder wenn man Sehenswürdigkeiten besichtigen möchte, sollten jedoch mindestens vier Tage eingeplant werden.
Camping unterwegs
Wir haben das schöne Wetter genutzt und gezeltet. Die Kosten für zwei Personen lagen zwischen 9 und 14 Euro pro Nacht für ein Zelt und zwei Personen. Die Campingplätze sind meist schlicht, verfügen aber über das Nötigste und waren durchweg sehr sauber.
- Campingplatz Maltournée in Châteauneuf-sur-Loire → lamaltournee.fr
Riesige Parzellen, ein wundervoller Blick auf die Loire, dazu ein Foodtruck mit Pizza und Pommes – ein idealer Ort, um auch einmal zwei Nächte zu bleiben.
- Campingplatz Vieilles-Maisons-sur-Joudry → vacances-seasonova.com
Etwa zwei Kilometer vom Canal d’Orléans entfernt, direkt an einem kleinen See mit Badestrand und einem empfehlenswerten Restaurant. Durch die Beliebtheit des Sees kann es dort etwas lauter werden.
Wir waren im August unterwegs – Hochsaison also. Dennoch war keiner der Campingplätze auch nur annähernd ausgelastet. Reservierungen sind daher in der Regel nicht notwendig. Zudem sind wir auf mehrere Plätze gestoßen, die wir online nicht gefunden hatten – vermutlich, weil sie noch sehr neu waren.
Hinweis: Die meisten Campingplätze werden von den Kommunen betrieben und sind nur von Mai bis Ende September geöffnet. Eine kurze Nachfrage vorab ist ratsam. Wer morgens ein frisches Baguette möchte, kann dies häufig am Vorabend an der Rezeption bestellen und am nächsten Morgen abholen. Lediglich auf einem Campingplatz fehlte dieser Service.
Fazit
Die EuroVelo-Routen in Frankreich sind definitiv eine Überlegung wert. Ein Klassiker ist die EuroVelo 6 von Orléans nach Nantes, leicht zu befahren und gesäumt von den prachtvollen Loire-Schlössern.
Wer jedoch zunächst einen kürzeren Radurlaub in Frankreich ausprobieren möchte, ist mit dem Rundweg „Le Loiret au fil de l’eau“ bestens bedient.
Die offiziellen Seiten der Rundfahrt:
https://www.loiretbalades.fr/fr/je-randonne/velo/canal-dorleans
https://www.leloiretaufildeleau.fr/
Fotoalbum