Etwa drei Stunden an Lehrfilmen, einiges an Texten und einige Quiz später, und ich beginne meine Mission bei den Olympischen Spielen zu begreifen. Schließlich hieß es bislang nur, dass ich mich um die VIPs kümmern sollte, was als Information recht vage war. Während einer Videokonferenz im August letzten Jahres mit einer Verantwortlichen von Paris24, in der vor allem meine Sprachkenntnisse geprüft wurden und wir ständig zwischen Französisch und Englisch wechselten, wurde als Beispiel die französische Sportministerin genannt, die es eventuell zu betreuen galt.
Es gibt ein Foto mit Václav Havel und mir, auf das ich stolz bin. Im Allgemeinen aber empfand ich ein Treffen mit VIPs, die auch viel Glück in ihrer Vita hatten, als nie bereichernd.
Nach stundenlangem Ansehen von Videos, Lesen von kurzen Dokumenten und Teilnahme an diversen Onlinequiz, die mein Wissen testen und wichtige Details in meinem Gedächtnis verankern sollen, werden die Umrisse meines Auftrages klarer, auch wenn ich erst endgültig vor Ort Bescheid wissen werde.
Bei den Olympischen Spielen wird die Olympische Delegation vom Nationalen Olympischen Komitee (NOC) vertreten, dessen Vorsitzender der Chef de Mission ist. Für Deutschland wird erstmalig Herr Olaf Tabor diese Aufgabe Übernehmen. Dieser ist organisatorisch verantwortlich für sämtliche Sportler, die sein Land gesendet hat. Im Fall der BRD werden das bis zu 400 Athleten sein. Zu seinen organisatorischen Aufgaben zählen:
• Die Sportler nach ihrer Ankunft ins Olympische Dorf zu bringen
• Übergabe der Unterkünfte und eine Inventur bei der An- und Abreise
• Anmeldung sämtlicher Athleten seines Landes bei einer finalen Besprechung.
• Die Eröffnungszeremonie
• Alles, was während der Spiele anfällt, wie die Anfahrt an die Sportstätten, Übergabe der Medaillen, Anreise der Familienangehörigen, Dopingkontrollen usw.
• Schlusszeremonie und Abreise der Athleten
Ich bin Assistent des NOC und darf den Chef de Mission bei seiner täglichen Arbeit begleiten. Ich werde eine SIM-Karte erhalten und habe Zugang zum Fuhrpark der Olympischen Toyota-Flotte. Zudem bin ich Teil des Sprachserviceteams (LAN) und soll Sprachbarrieren überwinden und täglich Bericht an das Paris24-Team erstatten.
Dass ich einmal zu einem Services-linguistischen Team für so ein großes Event gehören werde, hat durchaus seine ironische Seite. Mein Englischlehrer meinte an einem Elternsprechtag in der sechsten Klasse zu meiner Mutter, er würde ihren Mut bewundern, sich überhaupt zu ihm zu trauen, und meine schlechte Note in Englisch bescherte mir zwei Ehrenrunden. Französischunterricht habe ich nie genossen. Dass ich bei dem Sprachtest für die OS doch relativ gut abgeschnitten haben muss, liegt wohl an meiner Reiselust und natürlich den vielen Jahren, die ich in Frankreich lebe.
Allerdings wurden mir auch Grenzen gesetzt und No-Gos angezeigt, die bis zum Ausschluss von meinen Tätigkeiten führen können. Das Weitergeben von Interna gehört dazu, besonders was das sportliche Team betrifft. Zudem ist es mir untersagt, Fotos im Olympischen Dorf zu schießen oder die Athleten mit Selfies zu belästigen. Punkte, für die ich selbstverständlich Verständnis habe und auf die man mit ein wenig Menschenverstand selbst kommen kann. Denoch wird bestimmt das eine oder andere Bild entstehen, welches ich auch hier posten kann, und zu Berichten gibt es bestimmt eine Menge, ohne dass ich Geheimnisse preisgeben muss.
Welche Aufgaben im Einzelnen auf mich zukommen werden und wie der tägliche Ablauf sich gestalten wird, ob ich wirklich der Assistent sein werde, sein Stellvertreter oder nur einer von Dutzenden, weiß ich nicht. Ob ich für das deutsche Team, die Österreicher oder Liechtensteiner assistieren darf, weiß ich auch nicht. Auf jeden Fall werde ich die Ehre haben, Teil der Olympischen Spiele sein zu dürfen, und werde Bekanntschaften mit interessanten Menschen aus der ganzen Welt schließen. Und darauf freue ich mich.