Eine junge Dame aus dem Olympischen Dorf, aus der Verwaltung der bezahlten Kräfte, dunkle Hautfarbe und Kopftuch, saß auf einer Bank an meiner Seite und wir kamen einfach ins Gespräch. Es fiel der Satz von ihr: „Wäre die Welt das Olympische Dorf, sie wäre eine bessere.“
Ich musste lächeln, denn dieser Gedanke ging mir selbst schon durch den Kopf. Wären sie und ich so locker ins Gespräch gekommen, hätten wir uns zufälligerweise außerhalb des Dorfes nebeneinander gesetzt. Hätten wir uns überhaupt eine Bank geteilt?
Im Dorf ist das alles selbstverständlich. Menschen jeder Nationalität, Hautfarbe, Religion und Klasse, falls es Letztere überhaupt gibt, sitzen nebeneinander und tauschen sich aus. Es wird gelacht, viel gelächelt und vor allem mit Respekt miteinander umgegangen. Vor allem in der Kantine fällt das auf, wenn Menschen aus der Kantine mit Organisatoren gemeinsam Essen und ihre Zeit teilen. Man begegnet sich mit Respekt und einem Lächeln.
Eine Dame von der Security versorge ich mit ihrem Team auf Anfrage mit Kaffee. Auch wir kamen ins Gespräch und ich berichtete, dass wir Volontaire einen Kaffeebrunnen haben, die Securityleute diesen aber bezahlen müssen. Sei hat meine WhatsApp und manchmal fragt sie mich höflich, ob ich ihr und den Kollegen einen Kaffee besorgen kann, was ich gerne tue, da dies in einem Schwätzchen endet.
In der Kantine saß ich zwei jungen Chinesen gegenüber, die ihre Tagliatelle aßen, als ob ihnen vorverdautes Essen vorgesetzt worden wäre. Da ich mit der italienischen Küche etwas vertraut bin, fand ich die in Ei und Käse getunkten Bandnudeln nicht übel, nur nicht für den chinesischen Gaumen geeignet. Auch hier entwickelte sich ein nettes Gespräch über die verschiedenen Küchen nebst einer sehr herzlichen Verabschiedung.
Die Beziehung zu den Polizisten in und um das Dorf ist, da bin ich in Frankreich anderes gewohnt, sehr locker. Diese sind sehr hilfsbereit und für ein Späßchen zu haben. Meine Frau wurde von einem Gendarme angesprochen, ob sie nicht eines ihrer Volontaire-Shirts gegen eines vom Millitär tauschen würde. Der Austausch wurde in einem Polizeibus vollzogen, da sich Marie umziehen musste.
Tatsächlich fällt es schwerer im Olympischen Dorf, alleine und isoliert zu bleiben. Ständig wirst du angesprochen, einfach so, und weil man weiß, dass man dich schlimmstenfalls nach dem Weg fragt, dir aber nichts verkaufen oder dich anbetteln will, bleibe ich gerne stehen. So fragte mich eine Dame eines mexikanischen Kamerateams, wo sie gute Aufnahmen machen könnte für Interviews, und ich begleitete sie zu einem Platz an der Seine. Ich verbrachte den halben Vormittag mit Ihrem Team und half dabei, die Fußgänger aus dem Bild zu halten. Auch hier entwickelten sich nette Gespräche, sowohl mit dem Team als auch mit den Passanten. Niemand motzte, weil er von mir umgeleitet wurde. Klingt banal, ist es in unserer Welt leider nicht.
Volontaire sein, kann auch Spaß machen. Hier das Team meiner Frau im Hockeystadion
Beim Betreten des Dorfes bemerkte ich eine Dame, die sich an einer Laterne lehnte. Als ich sie ansprach, zückte sie an ihrem Telefon und tippte auf Englisch rein, dass sie zu dem Haus von Amerikanisch Samoa wollte. Vor Schwäche wegen der Hitze nicht in der Lage zu sprechen. Ein Wink auf die andere Straßenseite und ein weiterer Volontaire kam vorbei, der einen Wagen besorgte. Schnell entwickelte sich eine Menschentraube um die Dame, die nun sogar lächelte, weil sie die Hilfsbereitschaft der Leute spürte. Ein Notarzt war Sekunden später zur Stelle und wir brachten sie für einen kurzen Check ins Dorfkrankenhaus. Wäre das außerhalb des Dorfes auch so abgelaufen?
Kurz will ich die Weltreligionen ansprechen, die in unauffälligen Containern am Westeingang friedlich nebeneinander coexistieren und deren Betreiber die meiste Zeit gemeinsam im Schatten unter den Bäumen verbringen. Juden, Muslime und Christen. Ja, es ist möglich, solange kein machtgeiler Trottel den Leuten nicht sagt, dass es nicht geht, und Menschen, von Neid zerfressen, diesen auch glauben. Es ist möglich, dass alle Menschen dieser Welt miteinander leben würden – wäre die Welt das Olympische Dorf.
Das Motivationsvideo für meine Frau, welches ihr auf Kilometer 34 beim Marathon gezeigt wird. Erstellt im Olympischen Dorf.
Und die Bahamas? Ich habe mich mit den Leuten in so weit arrangiert, als dass sie mir eine Nachricht schicken können, wenn sie mich brauchen. Diese wird, soweit es möglich ist, von mir erledigt. Ich muss aber nicht den ganzen Tag wie ein Hündchen hinter den Herlaufen, auf Aufträge warten und ansonsten weitestgehend ignoriert werden. Also genieße ich lieber die restliche Zeit das angenehme Ambiente und helfe, wo ich kann. So hat mein Engagement auch was Positives und ich freue mich auf die Paralympics, wo ich hoffentlich auf angenehmere Teamleiter treffen werde.