Diesmal klappt die Anfahrt problemlos, fast schon routiniert.
Ich finde mich frühzeitig im Büro des NOC, reihe mich brav in die Schlange der Assistenten ein und bekomme, sobald ich an der Reihe bin, die Telefonnummer meiner Missionschefin in die Hand gedrückt. Ich setze mich an einen Tisch, schreibe eine WhatsApp und sehe beide grauen Häkchen, die aber nicht blau werden wollen.
Sie hat meine Nachricht, jetzt muss sie nur noch gelesen werden.
Ich unterhalte mich zwischenzeitlich mit einer Dame, die auch für ein kleines Team eingetragen ist. Sie berichtet, dass ihr Missionschef sie nicht brauchen würde und dass dies oft der Fall wäre. Ich denke mir, dass ich in diesem Falle nicht um Beschäftigung betteln werde, ärgere mich aber für die Leute, die eine weite Anreise auf mich genommen haben, nur um zu hören, dass sie eigentlich nicht benötigt werden. Nach gut einer Stunde nehme ich mir meine Tasche, verlasse das Dorf und mache einen Spaziergang in der Umgebung. Eine Stunde später sitze ich im Volontaire-Aufenthaltsraum und genehmige mir mehrere Kaffees, eine Banane und Power-Riegel. Auch hier treffe ich auf gestrandete und frustrierte Ehrenamtliche. Eine Dame, welche die Athleten bei der Ankunft empfängt, berichtet von riesigen Hochzeitsbildern aus Usbekistan, welche nur der Dekoration dienen. Generell scheint die Deko eine gewichtige Rolle zu spielen. Ein Fahrer der elektrischen Dorftaxen meint, eine Flagge von den Bahamas auf der Insel gesehen zu haben. Stimmt, auf der Insel bin ich noch nicht gewesen. Also packe ich wieder meine Klamotten und mache mich auf den Weg auf die andere Seite des Dorfes. Die Türkei, China, Iran… keine Bahamas. Auf der Brücke gibt es ein schattiges Plätzchen mit Sitzgelegenheit und erneut kontrolliere ich mein Handy. "Hello Robert. We are waiting in front of the Samsung shop. Cora". Der Shop liegt in Sichtweite, also mache ich mich auf den Weg dorthin. Ich treffe zunächst auf Roy, ganz in Weiß gekleidet mit einem weißen Hut, der mich herzlich begrüßt. Gemeinsam gehen wir zu Cora Hepburn, die unter der Brücke steht. Sie berichten, dass es in dem Dorf keine Unterkunft für sie gäbe und sie jetzt in ein Hotel fahren würden. Das sitzt. Wie besorge ich ein Taxi, wieso hat eine Teamleiterin keine Unterkunft und überhaupt, was mache ich jetzt?
Ein junger Mann in Volontaire-Uniform kommt uns entgegen und weist mir den Weg zu dem Taxistand. Eine weitere Kollegin begleitet uns gar zu den Fahrzeugen. Eine ganze Schar steht von denen bereit. Ich erkläre kurz unser Problem und kurz darauf sitzen wir in einem der Toyotas, welches uns zu einem naheliegenden B&B fährt. An der Rezeption höre ich, dass keine Reservierung vorläge, also rufe ich in meinem Büro an, nur um zu erfahren, dass von denen keiner zuständig sei. Man würde mein Anliegen aber weiterreichen. Langsam wird es peinlich und zudem gestaltet sich die Kommunikation als schwierig. Cora und Roy sprechen kein richtiges Englisch, sondern wie in den französischen Kolonien eine Art Kreol. Nach mehreren Hin und Her kommt der nette Mann der Rezeption mit Zimmerkarten. Unsere Gäste inspizieren ihre Zimmer und ich atme erstmal durch.
Einige Minuten später stehen sie wieder neben mir. Das Zimmer ist zu klein und sie könnten die Tür nicht schließen. Wieder kontaktiere ich das Büro. Wieder ist niemand zuständig, aber diesmal leitet man mich an die verantwortliche Person weiter. Diese ballert mich mit Kürzeln zu, einer französischen Eigenart, die exzessiv betrieben wird und die mir alle nichts sagen. Nach einer halben Stunde und mehreren Telefonaten wird beschlossen, dass wir zurück ins Dorf sollen. Ein Taxi wäre unterwegs. Vor dem Hotel warten wir, sehen laufend Taxen, aber keines scheint für uns zuständig zu sein. Ich komme ins Gespräch mit zwei Polizisten, die den Verkehr leiten, und heule mich bei denen aus. Ich habe eben der Cora gesagt, um die Situation zu entspannen: Ich würde mir ein Tattoo mit der bahamischen Flagge stechen lassen, sollten diese eine Goldmedaille gewinnen. Wir lachen, und als ich ein Taxi der Dorfflotte erblicke, sag ich zum Spaß: Sie sollen diese für mich herauswinken, was sie tatsächlich machen. Eingeschüchtert sagt die Fahrerin, sie dürfe so keine Mission annehmen, was uns aber egal ist, und beladen den Kofferraum. Wir einigen uns darauf, dass die Aktion unter uns bliebe, und Minuten später stehen wir wieder am Haupteingang des Dorfes. Hier fällt auf, wie gut Cora und Roy mit den anderen Teams vernetzt sind. Alle scheinen sich untereinander zu kennen.
Wieder haben meine Schützlinge ein Zimmer im Dorf zugewiesen bekommen und ich begreife gar nichts mehr. Eine charmante junge Spanierin begleitet uns zu ihren Zimmern, wozu wir eines der kleinen E-Fahrzeuge mit den schweren Taschen beladen. Wieder bewehrt sich die Fahrerin und wieder ist es uns egal. Wir bringen die beiden in ihr zugewiesenes Zimmer. Am nächsten Tag will Cora ein Fahrzeug haben. Wie organisiere ich das jetzt bitte? Zum Abschluss streichelt Cora sich über ihren Oberarm und lacht. Mist!
Ich gehe ins Büro, um mich zu beschweren. Das Hauptproblem scheint in der Kommunikation zu liegen. Es wird interessant.